In den letzten Tagen
gab es einen ungewöhnlichen Kälteeinbruch, mit nächtlichen
Temperaturen bis unter den Gefrierpunkt, Tageshöchsttemperaturen
von 7 Grad und mehr, dazu auch mal Hagel. Es ist grundsätzlich
weiterhin schön zu wandern, die Blätter bedecken den Boden
und ohne die Wegmarkierungen ist der Trail nicht mehr zu finden.
Aber die kühlen Temperaturen bringen auch Schwierigkeiten mit
sich. Es sind ja nicht alleine die Tiefsttemperaturen, sondern auch
die geringen Temperaturen am Abend und Morgen. Wenn der Schlafsack
der einzig warme Aufenthaltsort ist, dann verkriecht man sich abends
früh und kommt morgens nicht gut raus. Oder man kommt gut raus,
ist dann aber so früh am nächsten Shelter, dass man reichlich
Zeit hat und noch früher die Wärme sucht. Die Schüler
haben es da natürlich leichter, schließlich ist schlafen
ja eh nicht nur zur Erholung da, sondern möglichst auch als
Genuss. Da kann unser "Dauerschläfer" Konsti schon
mal auf 15 Stunden kommen. Sophie schafft das auf keinen Fall, dazu
sind die Harry Potter Bücher zu spannend. Bevor ich auf die
einzelnen Tage eingehe sei noch ausdrücklich gesagt, dass wir
wieder gute Tage hinter uns haben, auch wenn das nach dieser Einleitung
zweifelhaft erscheint.
Der Norden Pennsylvanias wird in Büchern und teils auch unterwegs
als schwierigster Teil bezeichnet, mit spitzen Felsen, die hier
auch gerne als "anclebreaker" (Knöchelbrecher) bezeichnet
werden. Wir waren gespannt, schließlich hatten wir schon einige
Erfahrungen gemacht. Letztendlich gibt es auch Stellen, die heftig
sind. Aber eigentlich nur, weil so ein Stein-/Felsbereich auch mal
etliche Kilometer lang sein kann. Dafür ist das Profil angenehm
und meiner Meinung nach halten neben den Knöcheln auch die
Schuhe hervorragend, wenn man ein ruhiges Tempo geht - na ja, ein
mäßiges Rucksackgewicht hilft mit Sicherheit auch.
In Wind Gap, PA, überlegen wir uns dann, dass es an der Zeit
ist ein gutes Stück zu überspringen, damit wir weiter
im Süden vielleicht auf etwas wärmeres Wetter treffen.
Unterwegs treffen wir wieder eine Reihe freundlichster Menschen
- sehr wichtig, weil es auch mal wieder "besorgte Bürger"
gibt, die es eher mit der Polizei haben; und die Hüter des
Gesetzes sind uns im Allgemeinen wohl gesonnen, aber es gibt auch
hier "schwarze Schafe"
.und wenn so eins unsere Ausweise
kontrolliert und sich die Namen aufschreibt, aber statt des Familiennamens
den 2. Vornamen notiert, dann untergraben wir seine Autorität
nicht mit der Richtigstellung so unwesentlicher Details, die schließlich
auch auf englisch im Reisepass erwähnt werden
.
Leonard und Patrizia in Wind Gap adoptieren uns für eine Übernachtung
- auf die Frage nach einer Karte von PA kommt die Antwort "ich
schau mal" und 30 Minuten später liegen eine Karte und
ein USA-Straßenatlas vor mir, die verdächtig genauso
aussehen, wie die, die ich kurz vorher im Supermarkt studiert habe
.morgens
versorgt Leonard uns mit lecker Pfannkuchen, anschließend
werden wir noch ein Stück des Weges gebracht. Es sieht dann
gar nicht so gut aus, die erwähnten Polizeigeschichtchen, bis
wir abends bei Mary unterkommen. Zelten bei klarer (kalter) Sternennacht,
aber kochen und essen in der warmen Küche. Mary schwingt sich
außerdem ans Telefon und ruft andere Mütter von Pfadfindern
an. Am nächsten Vormittag kommen zwei Autos gefahren und wir
werden ein weites Stück des Weges gebracht. Und verabschiedet
mit dem Hinweis, dass wir gerne nochmals anrufen können, falls
wir nochmals gefahren werden möchten, schließlich sei
D. C. nur dreieinhalb Stunden entfernt (in den USA werden Entfernungen
in Fahrzeit, nicht in Distanz angegeben)
.wir wollen tatsächlich
noch 60 Trailmeilen weiter, haben aber nicht das Herz, es unseren
lieben Fahrerinnen zu sagen.
Warum nochmals 60 Meilen? Schüler meiner Radtouren wissen,
dass ich gerne Landkarten studiere und die Route je nach Wetter,
anderen äußeren, aber auch inneren Umständen ändere.
Auf dem AT schien es nicht möglich zu sein, bis wir dann den
Long Path nach NYC gesehen haben. Und die Tage kam die Erinnerung
von einer Radtour durch D. C., da gab es doch einen sehr langen
Rad-/Wanderweg am Kanal entlang? Gibt es immer noch, 182 Meilen
nach Cumberland, Maryland. Harpers Ferry ist da gut 60 Meilen entfernt,
grad mal 100 km. Raus aus den Bergen und zum Ende ein "lockeres"
Auswandern, so gefällt mir das, schließlich sollen alle
in guter Verfassung in der letzten Stadt ankommen. Mit guten Infos
aus dem Internet ausgerüstet unterbreite ich den Schülern
den Vorschlag, gebe Zeit zur Überlegung und zwei Tage später
gibt es Konsens, "dat machen wa!"
In Carlisle, PA, sieht es mit öffentlichen Verkehrsmitteln
genauso aus wie in weiten Teilen der USA -sie praktisch nicht vorhanden.
Also schlappe ich kurzerhand in den "Appalachian" Bioladen
und frage da mal. Nach viel Überlegung und ein paar vergeblichen
Anrufen spricht die nette Verkäuferin dann eine Kundin direkt
an. Mary findet unsere Wanderung klasse, will aber noch mit ihrem
Ehemann Norman sprechen
..die Schüler haben in der Zwischenzeit
die Wäsche gewaschen, also schon mal Essens- und Einkaufsplan
für die letzten 4 Tage auf dem AT machen, einkaufen und die
2 stehen vor uns und interessierte Beobachter können wahrnehmen,
wie der Inhalt von anderthalb Einkaufswägen, 8 Rucksäcke
und 10 Personen in einem Van verschwinden. Die Beiden sind so nett,
dass wir gleich noch einen Ruhetag eingelegen. Jonathan, gerade
zweiter in einem Turnier geworden, kommt vorbei und zeigt ein paar
"Hacky Sack" Tricks. Dazu lecker Essen und beste Unterhaltung,
wunnebar - erst recht, weil wir in den letzten Tagen nur Gastgeber
haben, die rein gar nichts von George W. und seiner Clique halten
..
Es wird noch etwas kühler, so dass wir lieber in Dörfern
nach Unterkunft fragen (wir beginnen weiterhin mit einem Zeltplatz
im Garten, obwohl alle zumindest auf eine Garage hoffen
.ich
weiß, wir sind verwöhnt
.verweichlicht
.ein
rechtes Trauerspiel
.aber es geht uns gut und wir sind weiterhin
der Meinung, dass unsere Wanderung beachtlich ist). David und Barbara
nehmen uns auf, Schlafplatz in der Holzwerkstatt, mit Ofen, vorher
noch Baseball gucken - sehr schön. Und beim Aufwachen steht
wie versprochen der Kaffee auf dem Tablett; nur zwei Tassen, die
gehen beide an mich
.am Spätnachmittag holt uns David
vom Trail ab und fährt zu Denise. Dort fühlen wir uns
gleich wohl, denn auf dem Kühlschrank klebte eine s/w Zeichnung
von Bush mit der Bemerkung "the emporer has no brains".
Und Günther ist da, vor 50 Jahren ausgewandert, aber immer
noch mit einer original Berliner Schnauze ausgestattet - genau das
richtig für die Jungs.
Ja, und heute ziehen wir die letzten 30 km in sechseinhalb Stunden
durch (klar, nur mit Tagesgepäck) und stehen dann in der Altstadt
von Harpers Ferry. Schon merkwürdig, auch unterwegs. Viel zu
viele Stadtmenschen auf dem Trail. Die schauen einen oft gar nicht
an (geschweige denn grüßen) oder aus dem Augenwinkel,
gut, dass wir noch einige Tage in D. C. haben, da ist der Schock
"Stadtkultur" nicht so groß, wenn wir wiederkommen
tja,
Denise kennt Paul, einen Trail Angel in Harpers Ferry. Wir kommen
müde und hungrig hier an, aber Paul hat schon viele Wanderer
beherbergt und versteht sich bestens darauf: erstmal Getränke,
Chips und Sodas auf den Tisch, dann den Grill für die Hamburger
anwerfen, Dusche mit Handtüchern und Leihkleidung (falls wir
alles waschen wollen) anbieten, Wäsche, Salat, Hamburger, Kuchen,
Eis, Computer an und ins Internet, Video - es läuft heute ein
Film, "Apollo 13", das ist der mit "Houston, we are
having a problem". Heute Nacht schlafen wir alle in der 45qm
Wohnung, laufen morgen in der Stadt herum, kaufen Andenken beim
ATC Headquarter
.aber ich will gar nicht so viel von dem Erzählen,
was noch kommt
.schreib ja eh was drüber
.wobei, gestern habe ich übers Internet Karten für
das NBA-Spiel (Basketball) Washington Wizards gegen die Dallas Mavericks
bestellt. Alle wollen mit, schließlich spielt Dirk Nowitzki
für die Mavs
.und wir werden vom "Adlernest"
aufs Spielfeld spähen
.mal sehen, wie viel wir erspähen
können, der Preis stimmt auf jeden Fall
.
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